Die Cranio – mandibuläre Dysfunktion

Die Cranio-mandibuläre Dysfunktion (CMD) ist eine gar nicht so seltene Fehlfunktion des Zusammenspiels von Kiefer- und Körperfunktion. In der Literatur wird von einer Häufigkeit zwischen 3 und 8% der Bevölkerung gesprochen, wobei Frauen deutlich häufiger betroffen sind als Männer. Einige Autoren gehen auch von einem häufigeren Vorkommen aus.

In der Anglo- Amerikanischen Literatur wird die CMD als „Temporo-mandibular Joint-Dysfunction“ (TMJ) bezeichnet.

Sehr oft ist die CMD nicht mit einer klaren Symptomatik verbunden, sondern versteckt sich hinter diffusen Beschwerden wie Schwindel, Spannungskopfschmerzen, Panikattacken, aber auch diffusen Oberbauchschmerzen und sogar Rückenschmerzen.

Oft, aber nicht immer, kommen Kiefertypische Symptome wie Zähneknirschen („Bruxismus“), Spannungsgefühl im Kieferbereich oder Kieferknacken dazu.

Oft bestehen die Beschwerden schon jahrelang und werden irgendwann auf psychische Ursachen abgewälzt.

Kiefergelenk, Gesicht, Schädel und Wirbelsäule entwickeln sich beim Menschen in der Embryionalentwicklung komplex, über die Kau- und Gesichtsmuskulatur bestehen auch Verbindungen zu den Hirnnerven, die sich z.T. aus den sog. „Kiemenbögen“ entwickeln.

Hinzu kommt über das „myofasziale System“ eine enge Verbindung von Kiefergelenk und Wirbelsäule.

Eine zentrale Position nimmt hier der erste Halswirbel, der Atlaswirbel ein. Hier besteht über das sog. „Nackenrezeptorenfeld“ eine Verbindung zum Gleichgewichtsorgan und Innenohr, aber auch zum Kiefergelenk.

Eine CMD kann sowohl absteigend, d.h. vom Kiefergelenk ausgehend, aber auch aufsteigend, d.h. von nicht primär kieferbezogenen Faktoren, z.B. einer Beinverkürzung oder Beckenverwringung, ausgehen.

Daher ist die Annäherung nur ganzheitlich und in der Zusammenarbeit der Fachgebiete möglich.

Die Ursachen sind so vielschichtig wie die Symptome. Auch hier geht man von absteigenden (z.B. Kiefer-OP´s, Zahneingriffen oder degenerativen Veränderungen am Kiefergelenk aus. Eine Beinverkürzung, Beckenverwringung, Muskelverkürzungen und eine lymphatische Dysregulation können unter anderem für die aufsteigenden Probleme verantwortlich sein.

Der in der ganzheitlichen Sichtweise erfahrene Zahnarzt prüft daher oft nach dem Erheben des Zahnstatus auch die wesentlichen Faktoren der Körperposition, bevor weitere intensive, z.T. invasive und auch teure Therapiemaßnahmen angewendet werden.

Kernstück der zahnärztlichen Versorgung ist meistens zunächst das Anfertigen einer Aufbissschiene nach genauer Vermessung und Einstellung des Kiefergelenkes, die dann regelmäßig je nach Veränderung der Kiefermechanik angepasst werden muss. Die einfache „Knirscherschiene“ ist hier nicht ausreichend.

Bei der körperlichen Untersuchung in ganzheitlicher Manier ist die Osteopathie sehr hilfreich, da hier Störungen des myofaszialen Systems, des Lymphflusses, aber auch der Beckenposition sehr gut untersucht und in gleicher Sitzung auch behandelt werden können. Unabdingbar dabei ist aber eine Differenzierung der einzelnen Befunde, wobei eben auch diagnostische Maßnahmen wie Röntgenaufnahmen, MRT- Untersuchungen und Ultraschall durchgeführt und beurteilt werden müssen.

Zur besseren Differenzierung von aufsteigender oder absteigender Form der CMD hat sich die Rasterstereographie oder sog. „Diers´sche Vermessung“ bewährt. Hier wird mit Kameras computerunterstützt eine 3- oder 4-dimensionale Vermessung des Rückens mit und ohne Entkoppelung des Kiefergelenkes durchgeführt, wodurch sich für die Therapie sehr wertvolle Anhaltspunkte gewinnen lassen.

Durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen und Publikationen wurde der Stellenwert der Vermessung in letzter Zeit zunehmend positiv eingeschätzt.

Wie liefe eine typische Behandlung der CMD ab?

Zunächst erfolgt die zahnärztliche und ärztlich-osteopathische Untersuchung. Daran schließt sich die o.g. Anpassung der Korrekturschiene für den (meistens Unter-)kiefer an. Nun erfolgt die körperliche Untersuchung mit eingelegter Schiene und darauf aufbauend die osteopathische Therapie: Normalisierung des Lymphflusses, des Tonus der Faszien, die Länge der Muskeln und Wiederherstellung gestärter Gelenkfunktionen an Wirbelsäule und Extremitäten.

Im letzten Schritt ist der Patient selbst gefragt, in dem er durch moderate, aber kontinuierliche Bewegung die Lymphe, das myofasziale System und auch die Gelenke in Funktion hält.

Nicht alle Betätigungen sich hilfreich. Haben Joggen, Walken und Schwimmen gute Auswirkungen, kann zu tiefes sitzen beim Fahrradfahren wieder zu einer Störung des Lymphflusses führen.

Auch das Training in einem Fitnesstudio ist nur bedingt positiv, nämlich nur dann, wenn „öffnende“ Übungen, eben durch nach hinten führen der Arme geübt werden und nicht das klassische Pectoralistraining, welches die muskulären Dysbalancen weiter verschlechtern kann.

Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Diagnostik und Therapie können oft in schon nach kurzer Zeit auch bei langdauernden Problemen signifikante Beschwerdelinderungen erzielt werden, auch jahrelang leidende Patienten werden oft beschwerdefrei.

Weitergehende Informationen können bei der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und –therapie (www.dgfdt.de), oder auch bei der Deutsch amerikanischen Gesellschaft für Osteopathie (www.daao.info) abgerufen werden.